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Turnerdo 2012

Seit Jahren gibt es immer

wieder Probleme bei der Kandidatennominierung in Deutschland. Soll jemand

Bekanntes ins Rennen geschickt werden oder soll ein Newcomer völlig neu

aufgebaut werden? Es geht um viel. Es geht um die künftige Karriere, die

Qualität der Inhalte, um Verständlichkeit, Vertrauen und genügend Rückhalt bei

den Wählern. Soll es ein Mann sein oder eine Frau oder gar eine Gruppe? Es geht

um innere Gefestigtheit und es geht auch um die äußeren Werte – ohne einen

gehörigen Schuss Erotik läuft heutzutage gar nichts mehr. Was also machen, wen

nehmen? Schwierig, schwierig.

Bei der diesjährigen Vorauswahl zum Vorentscheid zur Teilnahme am Eurovision Song Contest (ESC) Malmö 2013 wollten Stefan Kaufmann und sein Team alles anders machen, als die „Macher“ von Mutzke, Lena und Lob. Die aufwendigen Fernseh-Shows in Form von nationalen Findungskomissionen wurden ebenso gestrichen, wie irgend eine nur denkbare externe Form von Voting via Telefon oder Vote by Click im Internet. Stattdessen rief das Management rund um Stefan Kaufmann intern zur Abstimmung im Kreise der CDU-Mitglieder auf. Nur zwei Kandidaten wurden für diese Vorwahlen zugelassen, der in Stuttgart und Umgebung relativ erfolgreiche Barde aus den Reihen des schwäbischen Union-Stadls, Andreas Renner und der bis dahin nur sehr wenigen Szenekennern bekannte und parteilose Soundakrobat Sebastian Turner aus Berlin.

Beide Wettbewerber durften während einer fast ausgebuchten Veranstaltung jeweils nur einen Beitrag vortragen. Alles oder nichts. Dann wurde abgestimmt. Mit einer zwei Drittel Mehrheit überzeugte Sebastian Turner durch seine eigenwillige Komposition „Über Ideen“ schließlich die Fach-Juroren – letztendlich auch, weil Andreas Renner in seinem Vortrag insgesamt zu unsicher war und an einer Stelle sogar eine völlig falsche Textzeile von sich gab. Kaufmann war hochzufrieden mit dem Ergebnis. Die erste Hürde war genommen. Der parteilose Klangkünstler Sebastian Turner war gesetzt und die Medien-Maschine konnte gestartet werden.

Nun begann das, was Werbe-Profis im Musik-Business wie im Politik-Geschäft bell ringing und campaigning nennen. Promotionauftritt hier, Besuche bei Radiosendern dort, Klub-Konzerte vor Test-Publikum. Zusätzlich biography building, image shaping und appeal enhancing. Look&Feel müssen ebenso stimmen, wie Mind&Spirit. There is no breakfast for free, my dear.

Die ersten Auftritte von Sebastian Turner waren somit noch ein wenig holprig. Stefan Kaufmann sagte damals im März 2012 in einem Interview mit dem erzkonservativen Musiksender MV-FM: „Attraktivität und Akzeptanz sind das eine, aber noch wichtiger ist die Authentizität. Da arbeiten wir noch dran. Geben sie uns noch zwei, drei Monate, dann steht der gesamte Act.“

Und tatsächlich; Anfang Sommer Mitte Juni 2012 lief die textlich etwas überarbeitete und neu instrumentierte Version des Titels „Über Ideen“ durch den Äther der ganzen Stadt, der Region, des Landes und der gesamten Republik. Ein Sommerhit wurde zum Ohrwurm. Der Turner-Takt bestimmte den City-Beat. Alles lief nun rund. Alles? Nicht ganz. Wie Künstler eben so sind, schlagen sie gelegentlich über die Stränge.

Turner tat dies, indem er wider die Regularien im ESC-Wettbewerbsverfahren, seinen kompletten Show-Act schon im Vorab – gewissermaßen auf Ohrenhöhe - anderen Teilnehmer-Teams zum Besten gab. Sein Manager Kaufmann und der harte Kern der CDU Fan-Gemeinde waren deshalb natürlich extrem verstimmt und mussten ihren parteilosen Star des Öfteren zur Räson rufen. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – gerade im noch laufenden Hesse-Jahr – und so dürfe man doch sein Pulver nicht schon vor dem eigentlichen Auftritt beim noch kommenden Event verschießen und sich allzu populistisch bei allem und jedem anbiedern, hieß es in den Reihen vieler Christunionisten, Liberaler und Freien Wähler. Turner sei als Front-Mann Kapitän des CDU-Dampfers und nicht zweiter Offizier auf irgendeinem vor sich hin dümpelnden Piratenschiff. Dennoch taten Turners kleine Extra-Touren seiner weiteren Karriere keinen Abbruch.

Die inzwischen mit voller Fahrt laufende Kampagne mit dem Kandidaten-Portrait und dem Tournee-Motto „Miteinander. Mit Turner.“ machte großen Eindruck. Insbesondere das zusätzlich eingeführte Gimick einer „Handschlag-Brezel“ erfreute sich großer Beliebtheit. Sogar Bushido in Berlin, so munkeln Szenekenner, soll sich das Wahlkampf-Symbol von Sebastian Turner abgekupfert haben und trägt es heimlich als extra angefertigten Silberschmuck an einer fetten Kette um den Hals. Aber das ist wahrscheinlich auch nur ein weiterer Promotion-Gag des Kaufmann-Managements.

Am 07. Oktober 2012 war es dann endlich so weit. 14 Kandidaten – darunter nur vier ernst zu nehmende – stellten sich nach ihren Nominierungen in den jeweiligen Vorwahlen, nun der Gesamtöffentlichkeit.

Größter Konkurrent auf dem weiteren Erfolgsweg war für Sebastian Turner der Interpret der GRÜNEN, Fritz Kuhn, mit seinem Titel „Mir geht’s um Stuttgart“. Und so kam es wie es kommen musste, wenn zwei Vertreter unterschiedlicher Stilrichtungen im Show-Business mit starken Auftritten aufeinandertreffen – der Publikumsgeschmack teilt sich in zwei fast gleichrangige Fan-Lager. Turner und Kuhn lagen nach dem ersten öffentlichen Auswahlverfahren weit vorne und fast gleich auf. Alle anderen hatten kaum eine Chance. Eine zweite Runde als ultimativer Showdown stand also an und am heutigen Sonntag des 21. Oktober 2012 seit 20:00 Uhr steht unverrückbar fest – the winner is: Fritz Kuhn mit seinem Hit „Mir geht’s um Stuttgart“.

Ein Schock für Turner, für die Christunion und vor allem für das Kaufmann-Management. Der Alt-Rocker Kuhn gewinnt mit deutlicher Mehrheit und der so hoffnungsvoll gestartete Mega-Star Turner kann nun zu Hause bleiben. Und Stefan Kaufmann? Wird er sich alsbald gar ein neues Zuhause suchen müssen? Das Auf und Ab des Show-Business, es kann manchmal so verdammt grausam sein.

Blitzlichtgewitter, Kameramänner, Mikrofonträger und Nachrichtenredakteure rennen wie wild umher, immer wieder begleitet von Jubelausbrüchen im Publikum. Überglücklich zeigt sich auch die gesamte Crew, die „Macher“ hinter dem siegreichen Interpreten. Und während dieser immer wieder auf die Bühne und vor die Kameras gerufen wird, melden sich im Turner-Lager bereits die ersten Kritiker aus der Komponisten- und Texterbranche per iPhone, Mail oder SMS bei Stefan Kaufmann zu Wort. Bohlen, Siegel, Raab und viele andere Größen der Branche nörgeln und mäkeln was das Zeug hält.

Auch Turner erhält einen Anruf, direkt aus Dresden von Sebastian Krumbiegel. Der singt Turner kurz einen Refrain ins Ohr und drückt sich danach gleich wieder weg. Wer an diesem Abend nah neben Turner stand, konnte den Kurzgesang auf dessen Mobiltelefon mithören: „Das ist alles nur geklaut. Das ist alles gar nicht meine, doch das weiß ich nur ganz alleine. Das ist alles nur geklaut und gestohlen, nur gezogen und geraubt – HahaHehe - Entschuldigung, das hab’ ich mir erlaubt.“

0711 · EIN KESSEL BUNTES
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