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Auf der Mauer, auf der Lauer...

Ob Sarah Connor in „Terminator I“, Carol und Carter „Doc“ McCoy in „Getaway“ oder gen Sonnenuntergang nach Westen reitende Outlaws in so manchem Western – die letzte Ausfahrt auf der Flucht vor den Verfolgern auf US-Territorium ist oft Mexiko. Und hier die berühmt-berüchtigte mexikanische Grenzstadt Tijuana, nur wenige Kilometer südlich vom US-amerikanischen San Diego entfernt.

Während im Realismus des Kinos die Flucht in die Freiheit häufig als „nach Mexiko rübermachen“ geschildert wird, sieht es in der Realität des wahren Lebens genau umgekehrt aus. Mexikaner suchen in den USA Verheißungen, suchen Jobs, wollen ein neues, besseres Leben beginnen, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, gleich nebenan. ‚California here we come’. Legal, halblegal, illegal zu Tausenden und Zehtausenden und manchmal endet der Grenzübertritt fatal letal.

Als ich Ende 1987/88 in Los Angeles lebte, fuhr ich einmal zum ‚whale watching’ nach San Diego. Die Wale erschienen an diesem Tag nicht, aber nachts schipperten Boote der US Border Patrol auf den Gewässern des Pazifik, am Küstenstreifen zwischen Catalina Island und der San Diego Bay entlang. Ihre Scheinwerfer warfen silbrige Streifen auf die Wellenkämme der schwarzen See. Mexikanerfischen. Auch ein vom Strand weit ins Meer hinein gezogener Zaun knapp unterhalb der Wasseroberfläche soll installiert worden sein, um die Mexikaner beim Schwimmen über die Grenze zu stoppen, wie mir berichtet wurde.

Der Grenzverlauf war schon damals durch einen Zaun von der Küste bis ins Landesinnere zwischen den urbanen Ausläufern San Diegos und Tijuana gesichert. Ein simpler Metallzaun mit Grenzposten an den Durchgangsstraßen, weit weniger ausgebaut als die ehemaligen Transitübergänge der DDR. Allerdings, die Motivlage für die Errichtung des Grenzzaunes zwischen den USA / Kalifornien und Mexiko war eine andere als im einst geteilten Deutschland.

Mexiko ist der zentrale Umschlagplatz für Drogen z.B. aus Kolumbien in Richtung USA und im Land selbst haben sich zunehmend mehr Produzenten von synthetisch hergestellten Drogen etabliert. Grenzstädte wie Tijuana, Nogales und Ciudad Juárez sind hierbei Einfallstore und zugleich Hochburgen eines seit Jahrzehnten währenden Drogenkrieges unter diversen Clans, Banden und auch Teilen korrumpierter Behörden auf mexikanischem Boden. Drogenhandel und die damit einhergehende Kriminalität sind ein Motiv der Schutzmaßnahmen seitens der USA, der Versuch der Eindämmung oder Regulierung illegaler Einwanderung ist der zweite Grund.
Beides – die Problematik des Drogenhandels und eine hohe Zahl illegaler Einwanderer - waren schon Ende der 1980er Jahre eklatant. Im letzteren Fall jedoch, herrschte zumindest in Kalifornien bei weitem nicht jene Strenge hinsichtlich Verfolgung und Sanktionierung illegaler Einwanderer aus Mexiko, wie sie später deutlich schärfer praktiziert wurde und vor allem derzeit mit beinahe wahnwitzigen Konzepten durch Donald Trump postuliert wird.

Klar, wer ohne gültige Papiere oder mit abgelaufenem Visum erwischt wurde, für den oder die ging es konsequent ab nach Hause, zurück ins Heimatland. Aber dann oftmals wieder mit neuen Papieren zurück in die USA.
Als Freelance-Grafiker mit unbefristetem Aufenthalts- und ausgedehntem Arbeitsrecht arbeitete ich damals für die Vorsitzende einer Film-Organisation in Hollywood, im Büro ihres Eigenheims. Die Chefin war ständig unterwegs und den Haushalt schmiss eine Mexikanerin, die auch auf dem Grundstück wohnte, seit Jahren mit Unterbrechungen. Waren ihre Papiere abgelaufen, ging sie kurz zurück nach Mexiko und kam dann nach kurzer Zeit mit „frischer“ Aufenthaltgenehmigung wieder. Der Begriff „Pendler“ war dehnbar. Und meine Hollywood-Chefin half beim Organisieren der möglichst reibungslos zu gestaltenden administrativen Angelegenheiten mit. Klar - aus Eigennutz, um eine gute Arbeitskraft zu halten, jedoch auch zu fairen Bedingungen, soweit ich es damals in Gesprächen beurteilen konnte. Geben und Nehmen.

Im Selbstverständnis der USA gilt fast alles als Weltklasse – eben auch der gesamte Dienstleistungs- und Service-Bereich mit seiner 24-Stunden-Attitüde bis runter in den Niedriglohnsektor. Amerika – immer rundum die Uhr geöffnet. Donald Trump wird schnell lernen müssen, das er diesen 24-Stunden-Betrieb mit seinem multikulturellen Leistungswillen nicht als ‚closed shop’ betreiben wird können.
Die Mehrheit der amerikanischen Wahlmänner und -frauen hat nach der Stimmabgabe der Wähler gesagt ‚He is hired’. Doch auch ein amerikanischer Präsident in seiner durchaus üppigen Machtfülle ist und bleibt ein Angestellter des Volkes auf Zeit. Und eben dieses amerikanische Volk – zumindest sein hälftiger Teil – hat bereits in noch nie dagewesener Art und Weise in den ersten Amtstagen des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika an diesen selbst per Demonstrationen einige Abmahnungen verschickt. Wenn dies in diesem Rhythmus so weitergeht, dann ist der Tag nicht fern, an dem es durch Volkes Stimme in Richtung Donald Trump vorzeitig heißen könnte ‚You are fired’.

Die amerikanischen Bestrebungen zur verstärkten Grenzsicherung nahmen ab der Amtszeit Bill Clintons mehr Fahrt auf. Das in Deutschland gut bekannte Polit-Thema der ‚Inneren Sicherheit’ war auch im US-Wahlkampf George Bush sen. vs. Bill Clinton ein bedeutendes Thema. Ab 1994 begann die Clinton-Regierung mit verstärkten Aktivitäten, den Grenzzaun auszubauen.
Nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 und den daraus resultierenden Gesetzgebungen sowie der Neugründung des Departement of Homeland Security im November 2002, nahm der Ausbau unter der Regierung von Georg W. Bush weitere Form an. 2006 wurde eigens ein ‚Sicherheitszaun-Gesetz* geschaffen. Ab dann begann eine rege Bautätigkeit zur Errichtung größerer und höherer Zaunanlagen und teilweisen Mauerverläufen mit dem Ziel, eine Grenzanlage vom Pazifik (San Diego) bis zur Küste des Golf von Mexiko (Brownsville) zu errichten. Auch während der Regierungszeit von Barack Obama wurde daran weiter gebaut.

Gut ein Drittel des knapp 3.200 langen Grenzverlaufs ist heute bereits durch eine uneinheitliche Aneinanderreihung von teilweise mächtigen Stahlzaunkonstruktionen, kleineren Zaunanlagen mit Stacheldraht, Mauersegmenten sowie gelegentlich errichteten Reihen aus Beton-Pollern und so genannten Panzersperren gesichert. Relativ gesichert, denn die Tunnelbauer sind ebenfalls fleißig am Werk und selbst die hohen Zaunanlagen lassen sich mit Kletterausrüstungen bezwingen. Letztere Punkte führen schließlich zur wesentlichen Kritik am Gesamtbauwerk, da im Zuge der Zeit die Zahl der Todesfälle bei den Überwindungsversuchen gewissermaßen mit der Länge und Höhe der Grenzanlagen überdurchschnittlich mitgewachsen ist.
Zynischer Weise schreckt der Schutzwall trotz seiner teilweise martialisch anmutenden Bewehrung kaum ab, sondern fordert anscheinend zu gesteigerten Überwindungsanstrengungen heraus – und führt dabei immer häufiger in den Tod. Von über 6.000 Todesfällen seit 1998 ist die Rede.

An der Ostküste vor Elis Island reckt die metallene „Miss Liberty“ der Welt begrüßend die Fackel der Freiheit entgegen und an der Westküste vor San Diego erwuchs aus Draht, Stahl und Beton ein ‚beastly bulwark’ bis zum Golf von Mexiko. Freiheit ist relativ.
Egal ob man die Zaunanlagen nun Zäune oder Mauern nennt oder – wie derzeit Donald Trump, von der Errichtung einer neuen Mauer spricht – das in seinen Teilverläufen unterschiedlich hohe und mehr oder weniger mächtig ausgebaute Bollwerk ist seit gut zwei Jahrzehnten Kilometer um Kilometer in die Länge gewachsen. Es ist bereits da, bestenfalls – oder besser schlimmstenfalls – unvollendet. In jedem Fall sind die Grenzanlagen nahezu untauglich, den Einwanderungsdruck aus Mexiko in die USA besser zu regeln, geschweige denn signifikant einzudämmen.

Bei allem aufbietbaren Verständnis für die neu etablierte Sicherheitsarchitektur der USA nach dem 11. September 2001 und auch den nötigen Anstrengungen Drogenhandel und Begleitkriminalität einzudämmen sowie die illegale Einwanderung durch klare Regelungen in den Griff zu bekommen, wäre jedwede Zaun- und Mauerlösung nur dann erfolgversprechend, wenn sie so konzipiert wäre, wie die innerdeutsche Grenze, damals errichtet durch die DDR mit Moskau als Rückendeckung im Kalten Krieg oder wie die nord-koreanische Variante. Alles andere ist lediglich eine kaum wirksame und damit unsinnige Symbolarchitektur. Aber – kann physisch-territoriale und auch geistig-ideologische Abschottung dazu führen, die eigenen Positionen und Situationen zu stärken und zu sichern? Die Antwort lautet Ja – aus Sicht eines jeden Gefängnisdirektors oder diktatorischen Staatsführers. Isolation und Opression im Inneren sind dafür der zu zahlende Preis. Von der Außenwelt abgeschnitten, schmort man im eigenen Saft auf kleiner Flamme dahin, solange bis der letzte Tropfen in der sicheren Kasserolle verdampft ist.

Will man das?Kann Trump das wollen? Wollen es die Amerikaner? Ein halber Kontinent, auf natürliche Weise bereits durch zwei Weltmeere gut schützend begrenzt, soll nun im Süden zu Lande dicht gemacht werden, möglicherweise mit Mauersegmenten der Bauart, wie sie Israel zum Westjordanland hin errichtet hat?
Kann das amerikanische Mauer-Projekt gewollt werden? Der Präsidentenwille im Kopf von Donald Trump sagt Ja und die amerikanische Verfassung sagt dazu nicht klar Nein.

Ronald Reagan konnte seinerzeit das Hirngespinst SDI (Strategic Defense Initiative) - wegen der Komponente an weltraumgestützten Raketenabwehrsystemen auch volksmundig als ‚Star Wars’ bezeichnet - in die Welt setzen und die Umsetzung offiziell in die Wege leiten. Von 1983 bis 1988 wurden dafür rund 29 Milliarden US-Dollar aufgewendet, bis die Geldmittel wegen kaum möglicher Machbarkeit bzw. wegen weiterer Entwicklungskosten in riesiger Höhe, dann deutlich gekürzt wurden und das Gesamtprojekt zunächst gestoppt wurde. Teilaspekte dieser Entwicklungen eines umfassenden militärischen Verteidigungsschutzschirms der USA fanden dann in veränderten und weniger bombastischen Konzepten ihren Fortgang unter veränderten Verteidigungsdoktrinen unter Bill Clinton und Georg W. Bush.
Vergebens war das alles – bei allem reagan’schen Irrsinn – am Ende unter dem Kürzel R&D (engl. research and developement; Forschung und Entwicklung, nicht. Verkürzt geschrieben ist die Drohnen-Technologie im militärischen Einsatz, von Barack Obama gerne genutzt, ein praktikables Ergebnis dieser langjährigen Militär-Projekte. Und dies führt mich zum Ende dieses Artikels.

Panzer und Stahlbeton waren gestern. Der Trend geht zum virtuellen Waffensystem, hin zum punktgenauen Peng-Peng und Wum-Wum. Moderner Materialeinsatz bei möglichst hoher Schonung menschlicher Ressourcen, sprich der eigenen, wie auch möglichst der feindlichen Truppen im Sinne von Verlusten. Nicht mehr das Leben selbst wird in Zukunft attakiert werden, sondern seine digitaltechnisch gesteuerten Lebensgrundlagen. Werfen Sie mal das SmartPhone eines pubertierenden Jugendlichen ins Klo – und warten fünf Sekunden. Dann verstehen Sie ungefähr was ich mit der Neuausrichtung von Krieg und Frieden im digitalen Zeitalter meine.

Ähnliches gilt auch für die Grenzüberwachung. In den USA - und in diesem Fall hier auch in Mexiko – heißt das Stichwort schon seit längerem ‚Virtual Wall’. Kameras und Sensortechnik - stationär, als Heli-Cam oder eben als quirlig unbemannte Drohnen-Formation, spüren Grenzgänger auf, lokalisieren sie schnell, dokumentieren, alarmieren und agieren. Und wenn es gewollt ist, dann sanktionieren sie auch gleich am Ort des Geschehens. Auf die Dosis kommt es dann nur noch an, wenn die Drohne als fliegende Fußfessel in der Nacht mit ihrem Spotlight das laufende Menschlein einfängt und die algorithmisch gesteuerte erste Ansage per eingebautem Lautsprecher absondert: ‚No way, José. Frisk.’
Und weil José weiß, was diese Ansage bedeutet und was als nächstes aus dem Schusslauf der Drohne kommen würde, bleibt er stehen und wartet bis der Sheriff kommt, um ihn abzuholen und in die Rückführungsunterkunft zu bringen.
Zwar zittert José und atmet hastig, aber das eine, selbe und von Hautfarben unabhängige in uns allen fließende Blut, wie Trump richtig in seiner Antrittsrede sagte, es wurde nicht vergossen. Das Leben ist eben doch besser als das Kino.

Im Film hält die schwangere Sarah Connor hinter der Grenze auf der Straße nach Tijuana ihren maroden Jeep an und steigt aus. Der Terminator ist da längst in einer Schrottpresse platt gestampft worden, nachdem ihn eine Explosion in zwei Teile gerissen hatte. Ein Junge schießt ein Foto von Sarah und sagt etwas auf Spanisch. Sie versteht die Worte des Jungen nicht und fragt den Tankwart, was der Kleine gesagt hat? „Dass großer Sturm aufkommen werde.“, übersetzt er ihr. Daraufhin steigt sie wieder in den Jeep und fährt die Straße in Richtung Mexiko in ein aufziehendes Gewitter hinein.

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