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Einkönigstreffen

Sag’ niemals nie. Wer in diesem Jahr das Dreikönig-Treffen der FDP in der Stuttgarter Oper verließ, bekam einen cyan-farbenen Baumwoll-Beutel mit der Aufschrift „Freiheit.org“ überreicht. Mehr nicht - nicht mal das FDP-Signet ist auf dem Beutel abgedruckt. Der Inhalt des Beutels war ebenso reduziert, wohltuend knapp, jedoch präzise dargeboten, was die politischen Botschaften betrifft. Vier schmale Themen-Hefte zur „Mobilität“, zur „Europapolitik“, zur „Flüchtlingspolitik“ und zur „Digitalisierung“. In der Kürze liegt die Würze. Klare Fakten von Ist-Zuständen werden darin gut verdaulich den ideologischen Soll-Zielen der FDP gegenübergestellt bzw. im Sinne der Parteiprogrammatik behandelt. Und zusätzlich waren zwei Dokumentationshefte der Friedrich Naumann-Stiftung über die Geschichte des Dreikönigstreffens im Verbund mit der Geschichte der FDP mit im Beutel. Gut gemachte Publikation, als bildungsrelevante Short-Story zur Partei-Geschichte - ohne Partei-Parolen und Politiker-Geschwätz.

Bildungspolitik steht seit neuestem in der FDP ohnehin wieder hoch oben auf der Agenda und so war es nicht ungeschickt, im Sinne der eigenen Öffentlichkeitsarbeit derartige Hefte zu produzieren und mitzuverteilen. Doch die Beutel-Verteilung stand am Ende des Dreikönigstreffens 2017 – wie aber begann es?

Es begann, wie schon in den zurückliegenden Jahren seit 2013 auch, mit einem minimalistischen Speakers-Corner-Setting in Sachen Bühnenbild. Der, für die Landtagswahlen in Bremen und Hamburg engagierten und danach auch für die bundespolitische Präsentation der „FDP-Reloaded“ wirkenden Werbeagentur sei dank. Das kommt gut an.
Das Frontalunterricht-Podium wurde abgeschafft. Die Parteiführungsmitglieder sitzen gleichberechtigt aufgereiht in weißen Sesseln nebeneinander, aufgelockert durch kleine Tischchen zum Mineralwasser abstellen zwischen jeweils zwei Sesselgruppen. Vor der Sesselreihe liegt ein cyan-blauer kreisrunder Teppich. Ihn betritt der / die jeweilige Redner*in und spricht frei, nur mit kleinem Spickzettel in der Tasche. Hinten an der Wand werden per Beamer-Technik keine Image-Videos eingespielt, sondern projiziert wird lediglich der formulierte Wille zum Aufbruch in das Wahljahr 2017: Bereit für 2017. Mit dem kleinen Hashtag Zusatz #3k17, kryptologisch das Dreikönigstreffen 2017 meinend.

Alles ist eine einzige Botschaft – die FDP ist wieder da. Und sie kommt gut rüber mit ihrem puristischen Bühnenbild. Weniger ist manchmal mehr. Small kann beautiful sein – ob die Reduzierung auf das Wesentliche, formal und inhaltlich, auch ein „Reduce to the Max“ Erfolg im Hinblick auf die Bundestagswahl 2017 sein wird, werden die Wähler*innen zeigen.

Und dann beginnt die Veranstaltung. Dem Landesvorsitzenden der FDP Baden-Württemberg, Michael Theurer, fällt als Einlader die Rolle zu in seiner Rede alle wichtigen Gäste aufzählend zu begrüßen. Das dauert und lässt ihm wenig Redezeit für politische Einlassungen. Komischer Weise gibt es für Theurers eher protokollarisch angelegten Rede-Beitrag am Ende Applaus mit standing ovations im Saal.

Nach Theurer betrat Hans-Ulrich Rülke den cyan-blauen Redekreis und wurde seiner zugeschriebenen Rolle als dem einzig wahren Oppositionsführer im Stuttgarter Landtag voll gerecht. Er betonte die wichtige Rolle der Oppositionsarbeit und im Saal versteht man, das in der parlamentarischen Demokratie Opposition kein Mist ist. Wenn sie von der FDP in Baden-Württemberg organisiert wird. Da ist bei aller Selbstüberhöhung des eigenen Wirkens etwas dran. Zumindest wenn man daran denkt, das die ebenfalls in der Opposition befinden Sozialdemokraten in Baden-Württemberg nach langen Zeiten der Neufindung und des Neuanfangs bisher vergleichsweise stille Oppositionsarbeit betreiben

Danach folgte als Redner Wolfgang Kubicki. In von ihm gewohnter Manier äußerte er sich kurz und pointiert über da, was er für das Liberale hält. Dabei selbst am Ende seines Rede-Beitrags feststellend, dass er sich ja auf der Dreikönigsbühne nur als die „Vorgruppe“ von Christian Lindner sehe. Dennoch – das es der FDP gelungen ist, Kubicki erstmalig und Stellung beziehend auf das Podium beim Dreikönigstreffen zu holen, wird in der Parteiführung und beim Saalpublikum als Geschlossenheitssignal gut honoriert. Christian Lindner wird dann später in seiner Rede das „Kubicki Kommitment“ gleich am Anfang aufgreifen und sagen, das mit dem Tag dieses Dreikönigstreffens 2017 endlich die Integration von Wolfgang Kubicki in die FDP erfolgreich abgeschlossen sei.

Auf Kubicki folgte die rhetorisch nicht besonders sattelfeste Generalsekretärin der FDP, Nicola Beer. Ihr fällt die Aufgabe zu, in einer vorher abgesprochenen Interview-Situation mit Hans-Ulrich Rülke und dem Spitzenkandidaten der FDP im nahenden Saarland-Wahlkampf, Oliver Luksic, nochmals die Kern-Themen der wieder erstarkten FDP zu postulieren. Und dann ist es soweit für den Mann, der beim Dreikönigstreffen 2010 selbst noch als neuer FDP Generalsekretär auf dem Podium saß, inzwischen Bundesvorsitzender der FDP ist und dabei personeller Anlass für die Überschriftwahl des Autors dieses Artikels ist.

Christian Lindner hat eine gute, engagierte und weithin kluge Rede im Sinne der neu aufgestellten FDP vorgetragen. Das dabei der Fokus nun – nach dem parallel zum Dreikönigstreffen in Stuttgart stattgefundenen Parteitagsbeschluss – die Ausrichtung per Slogan auf dem liegt, was in der FDP jetzt „Die Mitte macht’s“ heißt, bleibt fragwürdig.
Gerhard Schröder gewann für die SPD noch einmal und wahrscheinlich letztmalig die „neue Mitte“. Danach hat sich die SPD an der Mitte, in der Mitte und auch an den Rändern in, um und um die Mitte herum, ideologisch-pragmatisch nur noch die Finger verbrannt. Das Mitte-Konzept funktioniert nicht mehr, weil die deutsche Gesellschaft inzwischen zu sehr partiellisiert und klientelisiert ist. Wolfgang Kubicki sagte dazu jüngst im TAGESPIEGEL dies: „Natürlich sind wir eine Klientelpartei.“ Und so ist es nur logisch, das die FDP, wie auch die GRÜNEN, ihr eigenes Profil zu schärfen und herauszustellen versuchen und dabei auf potentielle Koalitionsaussagen verzichten. Auch die Zeiten, sich als „Zünglein an der Waage“ anzubieten sind rum.

Die eine große Mitte, als Adressat zur Mehrheitsbildung aus eben dieser Mitte heraus, sie ist längst nicht mehr jener halbwegs homogene Pool, wie noch in den 1980er, 1990er Jahren. Es gibt inzwischen mehrere Mitten in der Gesellschaft, wie Planeten, um die zusätzlich viele Monde kreisen. Nennen wir es der Einfachheit wegen einen Kosmos des Gesellschaftssammelsuriums. Und dennoch, am Ende gilt es Mehrheiten zu finden, die regierungstauglich stabil sind. Wer genau gelauscht hat bei diesem Dreikönigstreffen mit dem bisher alleinigen „King Lindler“, der konnte hören, das die Signale der FDP auch wieder mehr in Richtung SPD tönen, als bisher. Sigmar Gabriel ist also zu wünschen, das er seine Ohren weit offen hat, wenn es um die Möglichkeit zur Bildung einer neuen Regierung zur Ablösung des konservativ-rechten Lagers nach der nächsten Bundestagswahl geht. Leise hört man schon das Getrampel der kommen könnenden Koalition im Zeichen der Ampel.

Den weiteren publizistischen Beitrag zum Dreikönigstreffen erspare ich mir hier aus meiner Feder und weise neben anderen durchweg positiv gefärbten Medienstimmen exemplarisch auf den aktuellen SPIEGEL-ONLINE Artikel des einstigen TAZ-Autors Severin Weiland hin. Der trifft es aus meiner Sicht ganz gut.Zum Artikel auf SPIEGEL ONLINE
Dennoch möchte ich abschließend auf zwei Passagen von Christian Lindner in seiner Rede hinweisen, weil ich sie bisher in den Medien-Publikationen als Zitat oder Schilderung nicht wiedergefunden habe.

Zum einen hatte Lindner in Anspielung auf die Bundeskanzlerin Merkel gesagt, das es mit ihren Appellen in Video-Botschaften, wieder mehr christliche Lieder zu singen und dabei verstärkt Blockflöte im Familienkreis zu spielen, in Sachen Terror-Abwehr weißlich nicht getan ist. Die Kanzlerin, so Lindner, würde mit derartigen Hinweisen auf die religiösen Aspekte, sich ja geradezu von der strikten Trennung von Politik und Religion in unserem demokratischen Rechtstaat entfernen und fast schon das Spiel jener betreiben, die eben zu dieser Trennung nicht fähig sind. Unsere Demokratie, so Lindners klares Statement, ist nicht getauft, sondern frei gewählt.

Und der zweite Punkt ist der, das Lindner in seiner Rede zum Thema soziales Gefälle, arm und reich und soziale Gerechtigkeit nicht mehr so stark - wie von der FDP bisher als neoliberaler Wirtschaftspartei langjährig gewohnt – auf das Geld und seine Renditen, sondern mehr auf die Gesinnung und Haltung der Gesellschaft in Richtung Zukunftsplanung abzielte. Die Mitte für die FDP neu suchend, schwang sich Lindner dazu auf zu bemerken, das die gesellschaftlichen Ränder – die Reichen und die Armen – den Fortschritt und die Zukunftsinnovationen eher bremsen, weil sie – jede Gruppe auf ihre Art und wegen unterschiedlicher Motive – eher im Konservativen, Rückwärtsgewanden oder im Bewahren des Staut Quo verhaftet sind. Zumindest ein interessanter Neuansatz in der Gerechtigkeitsdebatte.

Interessant war auch, das neben allem Dank an die Verdienste der Altvorderen, der Lobeshymnen auf die aktuell agierenden Protagonisten der FDP und der engagierten Partei-Basis zwei Personen nicht erkennbar gewürdigt wurden – Philipp Rösler und Rainer Brüderle.

So - das war’s. Fast. Wenn nicht Peter Tauber wäre. Die sich erfolgreich wieder berappelnde FDP und personell speziell Christian Lindner, per Twitter-Tirade auf dieselbe Stufe mit der AfD und Alexander Gauland zu stellen, entbehrt jedem Ernst und Verständnis im politisch streitfreudigen Diskurs. Insbesondere deshalb, weil ja in Deutschland die singulär in Bayern aktive CSU als Sonderrollen-Schwester-Partei-Anhängsel der CDU im Bund, in ihrem programmatischen Portfolio deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit Themensetzungen und Forderungen der AfD aufweist, als alle anderen Parteien in Deutschland.

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