Stacks Image 4582

Ein Kollaps, erhöhte Cholesterinwerte und Kabale auf allen Kanälen

A ! S / R. Eichert · Washington DC / Charleston SC · Der Auftritt bei der Gedenkfeier in New York zum 15. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 hätte eines der Highlights in der heißen Wahlkampfphase der ehemaligen Secretary of State und Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden sollen. Doch für Hillary Rodham Clinton kam es anders. Während der Auftaktphase der feierlichen Veranstaltung erlitt sie gegen 10:00 Uhr inmitten der versammelten Gäste einen Schwächeanfall, wurde von ihren Sicherheitsleuten zu einem Auto geleitet und sackte dort kurz vor dem Einsteigen in sich zusammen. Aufgefangen von ihren Begleitern wurde sie auf die Rückbank des Fahrzeuges gehievt und zunächst in die am Madison Square Garden liegende Wohnung ihrer Tochter Chelsea gebracht. Knapp eineinhalb Stunden später erschien sie nach dem Verlassen der töchterlichen Wohnung wieder auf der Straße, begrüßte kurz ein ihr entgegenlaufendes Mädchen und ließ sich dann in ihr Anwesen in Chappaqua fahren, wo sie ca. gegen 13:00 Uhr eintraf.

Rund vier Stunden später veröffentlichte ihre persönliche Ärztin Dr. Lisa Bardack eine kurze Pressemitteilung in der es hieß, dass Hillary Clinton unter einer Lungenentzündung infolge eines verschleppten allergischen Hustens leide, der bereits Tage zuvor zum Ausbruch kam. Ärztlichen Rat, sich zwei, drei Tage zu schonen - insbesondere was das Reden bei Wahlkampfveranstaltungen und andere anstrengte Aktivitäten betrifft - hatte Mrs. Clinton wohl fast gänzlich ignoriert, versuchte aber die Hustenanfälle mit Medikamenten in den Griff zu bekommen, was ihr nach eigenen Angaben auch zeitweise gelungen war. Am Morgen des 11. September 2016 in New York gegen 10:00 Uhr entschied sich der Körper von Hillary Clinton jedoch für eine Auszeit. Im richtigen Moment bezüglich der Gesundheit der Kandidatin - aber genau im falschen Moment hinsichtlich der demokratischen Präsidentschaftswahlkampagne unter dem Slogan "Stronger Together".
Man kann nur erahnen wie sehr die Strategen im Kampagnen-Team der Demokraten an diesem Tag im Dreieck gesprungen sein müssen und wie oft dabei das Wort desaster die Runde machte.

In diesem populistisch und medial völlig überdrehten Präsidentschaftswahlkampf Clinton vs. Trump ist die Causa der collapsed Clinton nicht wegen der medizinischen Symptome sondern wegen der Symbolik des Schwächeanfalls ein Desaster für die Kampagne der Demokraten gewesen. In einem Land in dem die Frage nach dem persönlichen Befinden "How are you doing?", stets mit "Doing well." oder "Pretty good." beantwortet wird, gelten Begriffe wie schwächeln, schwanken oder zweifeln bereits als Beschreibung eines Krankheitsbildes. Insbesondere dann, wenn der Mitbewerber im Rennen um die Präsidentschaft jeden Tag zwei Statements kaum zählbar oft zum Besten gibt - "Let's make Amerika great again!" und "Amerika first!"

Donald Trump, der "Weiße Rapper", wie er inzwischen oft genannt wird, konnte sich in den Stunden und Tagen nach Clintons Schwächeanfall mit seinem Wahlkampf-Team ungewohnt still zurücklehnen und der demokratischen Kandidatin ganz anständig und ausnahmsweise mal ehrlich beste Genesung wünschen. Einzig in einer Rede in Canton / Ohio konnte es Donald Trump nicht lassen, doch noch einen Seitenhieb in Richtung Hillary Clinton abzusondern, indem er bezweifelte, das sie - anders als er - wohl kaum noch in der Lage wäre, eine einstündige Rede durchzuhalten. Ansonsten besorgten die Medienbilder und Kommentare im Fernsehen und im Internet - allen voran die politischen Dauersendungen auf FOX TV - den "dirty job" ganz von alleine indem sie die Fähigkeit Hillary Clintons zur Ausübung der Präsidentschaft in Frage stellten.
Drei Tage lang flimmerte die Szene der vor ihrem Auto kollabierenden Hillary Clinton im Viertelstundentakt über die Flatscreens, ständig begleitet von der besorgten Frage ob sie überhaupt in der Lage ist, zukünftig das Land für vier Jahre zu führen, wenn sie doch kaum noch vier Stunden lang gerade stehen kann?

Das Trump-Team reagierte und agierte medienstrategisch klug auf das "Geschenk" der gesundheitlich schwächelnden Mrs. Clinton. Kaum war die Sonne an diesem Tag hinter der Skyline von Manhattan untergegangen, saß Donald Trump in der Dr. Oz Show Show, eine Ratgebersendung in Sachen Gesundheit, und kündigte für den kommenden Tag die Veröffentlichung des jüngsten Befundes seines eigenen Vertrauensarztes an. Zwei Seiten Papier mit einem blood screening Befund (Blutbild), erstellt im Zuge einer routinemäßigen Vorsorgeuntersuchung für Männer ab 50 Jahren sowie ein paar Zeilen ärztlicher Anmerkungen zum allgemeinen Gesundheitszustand des Kandidaten der Republikaner. Dr. Mehmet Oz exklusiv und später dann auch andere TV-Journalisten durften den knappen Zustandsbericht über Trumps Gesundheit ausführlich analysieren und kommentieren. Schlichtes Ergebnis - Trump gehe es gut. Trotz seiner rund 107 Kilo Lebendgewicht und einem erhöhten Cholesterinwert sei er bei bester Gesundheit. In Form hält er sich durch die Sportart Golf und nach eigener Aussage fühle er sich heute im Alter von 70 Jahren so fit wie einst mit 30 Jahren. Auch diese Botschaft wurde unzählige Male über die elektronischen Medien kommuniziert.

Am 15. September 2016 hielt Donald Trump seine zentrale Rede zum Thema Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik vor dem New York Economic Club. Differenzierte Konzepte wurden dabei kaum erkennbar. Schlagwortartige Forderungen und Versprechungen markierten angestrebte Ziele - Steuern runter für niedrige Einkommensgruppen, das Wirtschaftswachstum von derzeit jährlich 1,1% auf 3,5% plus ab nächstem Jahr steigern, stillgelegte Kohleförderungsindustrien sollen wiederbelebt werden und - man höre und staune - Trump will Elterngeld ähnlich nach deutschem Muster einführen. Binnen weniger Tage veränderten sich die Umfragewerte zugunsten Trumps, jedoch lediglich in einem Zeitfenster von einer Woche seit dem 11. September 2016.

Hillary Clinton war am 15. September 2016 nach vier Tagen Pause mit ihrer Rede auf einer Wahlveranstaltung in North Carolina dann wieder aktiv im Rennen. Am Abend folgte der nächste Wahlkampfauftritt beim 39. Symposium der Black Women Agenda in Washington - irgendwie Heimspiel.
Während ihrer ersten Rede nach der Erholungsphase konnte Hillary Clinton in North Carolina wieder punkten. Klug verband sie gleich eingangs ihrer Rede ihren Schwächeanfall mit Thematiken demokratischer Sozial- und Gesundheitspolitik, indem sie betonte, dass es - im Unterschied zu ihr als besser gestellter Person - eben vielen Amerikanern immer noch nicht so einfach möglich ist, im Krankheitsfall schnelle und gute medizinische Hilfe zu erlangen, ohne dabei tief in den Geldbeutel greifen zu müssen oder gar den eigenen Arbeitsplatz im Falle von Krankheit zu verlieren. Dies solle sich mit den Demokraten und ihr als potentiell zukünftiger Präsidentin unter Stichworten wie bessere öffentliche Gesundheitsversorgung und Stärkung von Arbeitnehmerrechten weiter zum Positiven entwickeln. Also - auch das demokratische Kampagnen-Team kann Reden schreiben, die aus der latenten Schwäche wieder in die Stärke führen.

Mehr oder weniger zeitgleich versammelte Donald Trump auf seiner Veranstaltung in Washington hochrangige Militärveteranen, die einer nach dem anderen Lobes-Hymnen auf den republikanischen Kandidaten schmetterten, der so ein Redner wörtlich, "den Mumm" (the guts) habe, Amerika wieder groß zu machen. Hier erneut bemerkenswertes Kampagnen-Gespür im Trump-Lager, denn die Veranstaltung fand im gerade fertiggestellten Trump International Hotel in Washington statt und wurde extra als normale Tagung und nicht als offizielle Eröffnung des Hotels angekündigt. Auch irgendwie ein Heimspiel. Noch ist man nicht im Weißen Haus aber man residiert und regiert gewissermaßen schon nebenan im eigenen Hotel.

Diese Woche vom 11. bis zum 18. September 2016 war die week of weakening für Hillary Clinton und zugleich eine Woche des Auftriebs für das Trump-Lager. Donald Trump gelang es, sich mit relativer Milde, mit verbaler Zurückhaltung im Bereich hate speech, mit angeblich guten Fakten persönlicher Fitness sowie mit ein paar, wenn auch recht unausgereiften politischen Visionen, weiter nach vorne zu bringen. Er hat Boden gewonnen, aber er hat dabei Hillary Clinton nicht den Boden unter den Füßen weggezogen. Und - Donald Trump wäre nicht Donald Trump, würde er das vorne eigens neu eroberte Terrain gleich wieder mit dem Hintern einreißen und zu Nichte machen. Doch genau dies tat er nachdem er sich in der Tonight Show vom Moderator Jimmy Fallon am Abend des 15. September 2016 kräftig durchs Haar wuscheln ließ. Am nächsten Tag machte Trump ein neues nächstes populistisch-rassistisches Fass auf.

Lesen Sie in wenigen Tagen den Artikel "Trumps Hand an Obamas Wiege.".

blog comments powered by Disqus
SAVE THE DATE


KOMMENDE VERANSTALTUNG
IST IN PLANUNG FÜR 2022.

ANZEIGEN







Hier könnte Ihre Anzeige stehen.