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Mehr Unfreiheit wagen

Bereits zu Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie Anfang 2020 war der Freiheitsbegriff ein zentraler Bestandteil der öffentlichen Debatten. Anfangs im Frühjahr 2020 wurden zwar bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung der Virus-Verbreitung noch ohne bedeutsa

me Diskussionen hingenommen, weil in Politik und Gesellschaft noch die Vorstellung herrschte, man würde die wenigen Infektionsherde bzw. zahlenmäßig noch relativ kleinen Populationsgruppen an Infizierten, durch schnell ergriffene und harte Isolationsmaßnahmen so in den Griff bekommen, dass eine pandemische Ausbreitung des Virus verhindert oder zumindest stark eingedämmt werden könnte. Niemand hatte sich in der frühen Phase der Pandemie-Bekämpfung z.B. darüber aufgeregt, dass ein paar Dutzend erkrankte Vebasto-Mitarbeiter*innen, diverse infizierte Urlaubsrückkehrer*innen aus Ski-Gebieten oder Teile heftig hustender Karnevalist*innen in Heinsberg gewissermaßen spontan „weggesperrt“ wurden.

Im Januar und Februar 2020 beruhigte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn noch mit Worten wie „Für übertriebene Sorge gibt es keinen Grund“ und die Furcht vor einer Pandemie sei „eine zurzeit irreale Vorstellung“. Diese höchst saloppe Sichtweise auf das Anfangsgeschehen der Virus-Ausbreitung mussten der damalige Gesundheitsminister sowie die damalige Regierung unter Angela Merkel allerdings schnell revidieren, als im italienischen Bergamo die Menschen an oder mit einer Corona-Infektion wie die Fliegen zu sterben begannen.

Im März und April 2020 wurden erste harte Maßnahmen diskutiert – fast häufiger in Talk-Shows als in den Reihen der Regierenden, so hatte man den Eindruck. Dennoch, es wurde Ernst in Sachen nationaler Pandemie-Bekämpfung und damit rückte neben den gesundheitlich-medizinischen Aspekten auch der Freiheitsbegriff ins Zentrum aller diskutierten und schließlich durchgesetzten Maßnahmen im Kampf gegen die extrem hohe Infektiosität des SARS-CoV-2 Virus und die damit einhergehenden Covid-19 und so genannten Post- / Long-Covid Erkrankungen.

Eine frühe Frage an die Freiheit bzw. an freiheitsbeschränkende Maßnahmen war die dann per Verordnung eingeführte Maskenpflicht, bestimmte Abstandsregelungen unter den Menschen sowie weitere Beschränkungen im öffentlichen Raum. Es entstand durch den Initiator Michael Ballweg bereits Ende März / Anfang April 2020 die "Querdenken-Bewegung". Zunächst noch unter dem heute fast harmlos anmutenden Bestreben, wegen der Maskenpflicht und einigen Kontaktbeschränkungen die deutsche Demokratie vor dem Untergang bewahren zu wollen. Heute sieht man, die "Querdenker-Bewegung" setzt in Deutschland als weitere Sammlungsbewegung mit Systemsprengerpotential das um, was vor Jahren mit Pegida und der Rechtsradikalisierung der AfD begann - die Praktizierung von Verschwörungstheorien im alltäglichen Leben. Und Lutz Bachman auf Teneriffa lacht sich ins rechte Fäustchen, während er in Steve Bannons Biografie ließt.

Mehr als diese zunächst rein mechanisch-physikalischen Maßnahmen und Mittel zur Pandemie-Bekämpfung im Verbund mit Appellen an menschliche Verhaltensweisen unter Stichworten wie Kontaktreduzierung, Einhalten der AHA-Regeln und Verzicht auf Händeschütteln und Abbusseln, standen kaum zur Verfügung. Noch gab es keine Impfstoffe. Geforscht wurde zwar erfolgreich mit Warp-Speed, aber im Frühjahr / Sommer 2020 war noch nicht absehbar, wann verlässliche und zielgerichtet wirksame Impfstoffe auf den Markt und per Piks in die Oberarme der Menschen gelangen können. Frühzeitig ausgeschlossen und über das Jahr 2020 immer wieder erneuert hatte die Bundesregierung und allen voran Jens Spahn jedoch stets und ständig den Satz – eine Impfpflicht wird es in Deutschland nicht geben. In seiner Absolutheit eines der dümmsten Postulate deutscher Regierungspolitik am pandemischen Start in die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts.

Der Frühling 2020 brachte die Masken- und Abstandspflichten. Pflichten auf dem Verordnungsweg unterhalb tatsächlicher Gesetzgebungsverfahren beschlossen, aber deshalb trotzdem kein Akt politischer oder staatlicher Willkür. Und selbstverständlich ein Akt der Freiheitseinschränkung. Und damit stellte sich in der öffentlichen Debatte die Frage, ob und inwieweit derartige, temporär verordnete Maßnahmen verfassungsgemäß, für die Bevölkerung zumutbar und in letzter Konsequenz im Falle der Zuwiderhandlung sanktionierbar sind?
Über die grundsätzliche Frage, ob es sich bei den, per diverser Verordnungen erlassenen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung, um Freiheitseinschränkungen handelt oder nicht, gab es so gut wie keinen Disput. Es sind Freiheitseinschränkungen. Gegenstand der Kritik und Kontroverse war immer die Frage, ob und inwieweit die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nötig, legitim, zulässig und zielorientiert hinsichtlich der Vermeidung und Abwehr von bestehenden und ggf. weiteren Gefahren für die Bevölkerung im Zuge des Pandemie-Geschehens sind?

Im Mittelpunkt dieser kontroversen Debatte steht ein sehr wichtiger Begriff im sich einander bedingenden Wechselwirkungsverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft – die Akzeptanz. Denn besteht ein klares Maß oder eine deutliche Haltung des Individuums und / oder der zur kollektivistischen Gesellschaft versammelten Individuen bezüglich der Einsicht, Akzeptanz und Zustimmung in und zu bestimmten, als notwendig erkannten freiheitseinschränkenden Maßnahmen, dann relativiert sich natürlich der Zwangscharakter in Bezug auf die Einschränkungen. Nicht nur das Gefühl, sondern auch der Verstand der Menschen relativiert den Umstand, durch Zwang etwas tun zu müssen um so mehr, indem der vernunftbegabte Mensch versteht und erkennt, warum er Einschränkungen temporär hinnehmen sollte oder muss. Und dabei insbesondere begreift, wie und warum die temporär hingenommen oder erduldeten Einschränkungen der Freiheit (die Phase der Un-Freiheit), ihn, sie und alle Mit-Menschen perspektivisch aus eben dieser unfreien Lage herausführen, um am Ende wieder den normativ gewohnten Zustand der vollen Freiheitsentfaltung wahrnehmen und erleben zu können. Es ist also auch ein freiheitlicher Akt des immer so oft beschworenen freien Willens, wenn er sich freiwillig in Krisenzeiten innerhalb eines bestimmten Zeitfensters diverser Freiheitsrechte – gewissermaßen parkend – beraubt, um dadurch am Ende des Tages wieder frisch, fröhlich und auch fromm ausrufen zu können – hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.

Eine wesentliche Fehl-Orientierung in der aktuell vielfach fast am Rande der Hysterie befindlichen Debatte im Spannungsfeld von Freiheitsauslebung und Freiheitsbeschränkung, gar Freiheitsberaubung, liegt in diesen pandemischen Krisenzeiten in der allzu politisch und ideologisch instrumentalisierten Behandlung eines biologisch-gesundheitlichen und – in Folge davon – soziokulturell-ökonomischen Problems. Von Anfang an und nach wie vor ist das Virus der Angreifer und Feind bezüglich unseres Zellhaushaltes als die vom Virus benötigten Wirte und es sind nicht die Regierung und die staatlichen Institution der, die Freiheit der Gesellschaft bedrohender und attackierender, Feind.

Bei allem selbstverständlich nötigen Diskurs in Parlamenten, Parteien, Kommunalverwaltungen, Behörden und letztendlich den zahlreichen Meinungsbildungsprozessen der vox populi auf den Straßen und an den Stammtischen, geht es in dieser äußerst bedrohlichen Virus-Pandemie und den dazu nötigen Krisenbewältigungsmaßnahmen, mehr als bisher sonst in unserer Gesellschaft, um den Zusammenhalt, die Solidarfähigkeit und den Respekt auch in leidvollen Zeiten. Maskentragen, Abstandhalten und räumliche Abschottungen sind dabei Formen des passiven Widerstandes; die Impf-Immunisierung (auch wenn sie derzeit noch keine längerfristige oder gar dauerhafte Wirkung unter entfaltet) ist aktiver Widerstand gegen das Virus. Also weiterhin – auf in den Kampf! Nieder mit der Virus-Herrschaft! Stärkt die revolutionären Zellen in euren Körpern!

Doch das gesellschaftliche Zusammenrücken darf trotz aller zweifelsfrei positiver Erfolge durch Verhaltensanpassungen, Isolationsmaßnahmen bis hin zur Impf-Kampagne unter dem Motto „Wir machen ihnen ein Angebot“, nicht länger in Surf-Moves zwischen dem Kamm und dem Tal von Inzidenz-Wellen herumkurven. Wir Wellenreiter müssen raus aus den Wogen zurück zur Küste in den sicheren Hafen. National, europäisch und international. Die Impf-Pflicht ist dazu der nächst zu beschreitende Weg beim Navigieren durch die Pandemie-Krise.

Je schneller wir als Virus-Wirte dem ungebetenen Gast und seinen Mutanten-Verwandten in der Hafenbar unseres Zellhaushalt den Zapfhhn zudrehen, umso schneller gelangen wir wieder raus auf See. Hinaus auf’s weite Meer der Freiheit.

In diesem Sinne – Lauterbach Ahoi!

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