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Lät's togg schwänglisch

Wenn sich die schwäbische Zunge der englischen Sprache bedient wird es oftmals peinlich und so manche Rezipient*innen von ‚schwänglischen‘ Ergüssen in Wort und Schrift entwickeln beim Zuhören oder Lesen extreme Fremdschäm-Fremdschäm-Symptome. Inglisch äsch ä säkond längitsch war schon dem Günther Oettinger in der Funktion des EU-Kommissars nicht sein Ding, wenn auch seine Rede-Darbietungen in Schwänglisch einen gewissen Humor-Faktor hatten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Günther Oettinger auch in seiner schwäbischen Muttersprache über eine ganz besondere verbale Begabung beim Satzbau verfügt.

Schluss mit lustig allerdings ist es im Falle der jüngsten Anwerbe- und Image-Kampagne Baden-Württembergs unter dem Titel „The Länd“. Die phonetische Verschwurbelung der englischen Sprache mit dem Schwäbischen soll marketingtechnisch - so der Anspruch der baden-württembergischen Landesregierung und den beauftragten Agenturen - auf humorvoll-selbstironische Art neugierig machen, um letztendlich national, europäisch und international für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu werben und Arbeitskräfte anzuwerben. Mit schwarzer Schrift auf gelbem Grund. Die Landesfarben pur. Weil „The Länd“ irgendwie the place to be ist.

Nun versteht man jedoch im englischen Sprachraum unter the land, wie auch im deutschen, das Land. In einem allgemeinen Sinne und durchaus mehrdeutig. Landläufig sagt man Land oder die Länder der Welt. Man sagt und schreibt aber z.B. nicht - the United Lands Of America. USA heißt United States of America. Das Land und der Staat - das ist sprachlich wie inhaltlich zweierlei. In so ziemlich jeder Sprache der Welt. Zu Abweichungen von der Regel fragen Sie bitte Linguistik-Professor*innen an der Universität Tübingen.

Das Schöne an fast jeder Sprache ist ja ihre Vielfalt bei der Begriffsbildung. Vom Allgemeinen Wortgebrauch hin zur besonderen, sprich spezifischen, differenzierenden und präzisierenden Begriffsbildung. Bildung durch Begriff. Auch in Werbung und Marketing. Nichts gegen sprachübergreifende Wortspiele - doch verstanden müssen sie werden. Und zwar schnell und ohne Diskussion und Nachfragen im Sinne von - Äh, was soll das bedeuten? - , auch von hinten durch die Brust. Und auch beim Bemühen das Schwäbische mit dem Englischen zu verquicken.

Baden-Württemberg ist eines von 16 deutschen Bundesländern; ist also englischsprachig ein Federal State in Deutschland, der Federal Republic of Germany. Ergo - wenn schon der im Schwäbischen weit verbreitete Knorz-und-Krächzlaut „ä“ als kreative Verballhornung in Wort und Schrift der aktuellen Image-Kampagne herangezogen wird - dann doch wohl Baden-Württemberg als „The Stäte“.
Auf der Expo 2020 in Dubai hätte man als Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland als ihr aller tollster Fädäräl Stäte noch besser punkten können. Und bei der jüngsten Eröffnung des „BW-UK Office“ in London zur Stärkung der Beziehungen zwischen Großbritannien und Baden-Württemberg in Post-Brexit-Zeiten hätte es sich auch besser gemacht, wenn man umfassender - ‚The Stäte is pleased to meat Gräte Britän‘ getextet hätte - statt nur an Engländ auf ein paar gelben Taxis in London zu referieren. Und - wo bleiben Wäles, Schottländ, Northärn Ireländ oder auch die Caymän Isländs und Bermudä in der Ansprache der baden-württembergischen Image-Kampagne im United Kingdom?

Hier zeigt sich der konzeptionelle Fehler von „The Länd“ bereits deutlich gegenüber der Alternative „The Stäte“. Man hat nur ländlich kleinkariert gedacht und nicht staatspolitisch im international großen Karo. Was wäre alles möglich gewesen, um mit dem schwäbisch-strachlich sperrigen „ä“ auf internationalem Parkett zu glänzen. Auf dem Immobilienmarkt z.B. mit The Real Ästäte Stäte, in der Finanzwelt mit The Stock Äxchänge Stäte, im Veranstaltungs- und Tourismuswesen mit The Äntertänment Stäte und ganz zu schweigen von The Climäte Chänge Stäte. Aber nein - man bleibt eben weiterhin nur ’s Ländle ohne verniedlichendes Suffix am Wortende. Eine verpasste Chance in Knallgelb für viel Steuergeld.

Geht man in die Tiefe der Image-Kampagne, so hört der Spaß dann gänzlich auf. Der Umstand, mit der englischen Sprache auf Kriegsfuß zu stehen, wird gewissermaßen als kompetenzheischendes Alleinstellungsmerkmal von besonderer Güte verkauft. Mit Formulierungen, die Schüler*innen im Englisch-Unterricht bestenfalls eine wohlwollende 5+ im Fremdsprachtest einbringen würden, wird für „The Länd“ geradezu innovativ linguistisch auf Teufel komm raus getextet und geworben. So z.B. mit einem Plakattext wie diesem, der - Witzigkeit kennt keine Grenzen - auf die richtige Aussprache des „Th“ (Tie-Äitsch) im the von „The Länd“ hinweisen soll. Da heißt es: „Thunge thwischen die Thäne - und dann: The Länd.“ Falsch, sagt der Sprachtrainer.

Das stimmhaft-dentale Frikativ „th“ sowie das ähnliche stimmlose dentale Frikativ „th“ werden dadurch erzeugt, indem die Zungenspitze bei nur leicht geöffneten und nicht angespannten Lippen an die innere Seite der Oberkieferzähne getippt (touchiert) wird und der Th-Laut dann ohne große Muskelbewegungen eher entspannt ausgeblasen statt ausgepresst wird. Hier gerät die Zunge nicht zwischen die Zähne, wie z.B. bei der Aussprache eines „L-Lautes“ . Das ist ja gerade die Kunst. Das Tie-Ätsch wird lässig cool per Zunge-Zahn-Touchierung und Atemluft-Flow ausgehaucht. Und im Hohenlohischen dürfte es kaum jemanden gelingen einen korrekten Tie-Aitsch-Laut abzusondern. Jauhoa. Also liebe Kinder - die „The Länd“ Plakat-Botschaft nicht im Englisch-Unterricht anwenden.

Oder nächstes Beispiel. Da wir man aufgefordert für „The Länd“ ein „Ländfluencer“ zu werden. Was soll das sein? Englisch Influencer (Beeinflusser, von engl. influence, beeinflussen) ist klar. Unter den Akteuren in Sozialen Medien gibt es inzwischen zahlreiche Influencer, die andere irgendwie beeinflussen wollen. Mit was und wie auch immer. Egal. Es handelt sich ohne weitere Bewertung um eine neue kommunikative Erscheinungsform in der so genannten digitalgestützten Netzwelt.
Was bedeutet nun fluence an sich? Richtig - Einfluss. Noch nicht Einflussnahme - nur einfach Einfluss. Und ein landfluencer (den es im Englischen als Begriffsbildung nicht gibt) wäre ein Landeinflusser. Weil wir im Deutschen ständig einzelne Worte zu neuen Begriffen kombinieren, könnten wir uns unter einem Landeinflusser durch aus so etwas vorstellen, wie eine Person oder ein Unternehmen, dass in der Landschaft, auf Äckern, Furchen oder Gräben zieht, um ein künstliches Bewässerungssystem für die Landwirtschaft zu anzulegen.
Im Angelsächsischen ist aber ein solcher landfluencer, sprich eine solche Begriffsbildung, nicht wirklich assoziierbar bzw. deutbar. Man versteht schlichtweg nicht, was gemeint ist. Das ist so ähnlich, als würden man im Apple Store in New York sagen „I like to by an Apple handy“. Handy ist lediglich ein deutscher Begriff der - weil man ein Smart Phone oder ein Mobile Phone ohne Kabel mit sich tragen kann - aus eben dieser Handhabung heraus erfunden wurde und (nur) in den deutschen Sprachgebrauch einging. International versteht das niemand.

Nicht nur Agenturen für Image-Kampagnen für Bundesländer müssen textend kreativ sein. Auch Agenturen für Autobauer, z.B. bei der Namensfindung eines neuen Produkts. Mitsubishi kam einst in den 1980er Jahren mit dem „Pajero“ für einen Geländewagen heraus. im spanischen Sprachraum ein umgangssprachlicher Begriff für „Wichser“. Umtaufen war angesagt - in Montero. Also irgendwas mit Monte (Berg). Passt besser, ein Geländewagen als Bergerklimmer. Na Ja - und das mit Douglas ist wohl auch bekannt. Der Slogan „Come in and find out“ in Deutschland sollte meinen - Komm herein und finde etwas (such dir etwas aus). Im Englischen bedeutet aber die Redewendung „find out“ allgemein so etwas wie „den Raum verlassen“, den „Ausgang finden“. Ja, bis hin zum Rausschmiss, ähnlich der deutschen Redewendung „Sie wissen wo die Tür ist“. To show s.o. the way out heißt übersetzt, jemanden zur Ausgangstür begleiten bzw. jemanden den Weg zum Ausgang zeigen. Der Douglas-Slogan bedeutete im Englischen umgangssprachlich also „Komm rein um rausgeworfen zu werden.“ Keine einladende Aufforderung für ein ausgedehntes Shopping-Erlebnis.

Doch nun wieder zurück zu „The Länd“. Schon die Auftaktveranstaltung - der offizielle Launch der Kampagne - am Hafen-Kai in Stuttgart war eine Ich-gehe-zum-Lachen-in-den-Keller Angelegenheit. Die Rede eines Agentur CEO über das eigene Werbe-Werk wirkte dröger als jede formal-juristische Belehrung von Job-Center Mitarbeiter*innen im Zuge einer SGB II Antragstellung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann war geflasht vom Cyber Valley in Tübingen. Wenn man da eines der neuen Gebäude betritt, so referierte er, sieht man die Cracks der Künstlichen Intelligenz (KI) sitzen und wenn man dann zum Fenster hinausschaut sieht man den Albtrauf, die berühmte „Blaue Mauer“ von Mörike, und unter so einem Blick zu arbeiten, dass ist schon mal halb unbezahlbar. Und auf die Frage an einen KI-Mitarbeiter, warum er denn hierher gezogen sei, wo er doch woanders weit mehr verdienen könnte soll dieser geantwortet haben - aber hier kann ich abends meine Kinder mit dem Fahrrad zur Party schicken.
Mit dem E-Bike hätte Winfried Kretschmann in seiner anekdotischen Erzählung natürlich ergänzen müssen. Ganz nach dem ebenfalls postulierten Slogan „Heimat. High-Tech, High-Speed“. Und da wird man dann am Ende des Tages für das Gelingen des Green-Energy-Digital-Transformation-Process in „The Länd“ die luftigen Kuppen des Albtraufes mit Windrädern garnieren müssen. Eduard Mörike hin oder her.

Und übrigens - es gibt nur einen wahren golden state auf der Welt. Driving down the 101 - California here we come.

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